Bernoulli-Ketten

Es gibt zahlreiche Zufallsexperimente, bei denen der Ergebnisraum aus nur zwei sich gegenseitig ausschließenden Ergebnissen besteht.

Beispiele dafür sind :

  • Warenkontrolle (brauchbares Stück / unbrauchbares Stück),

  • Losziehen (Gewinn / kein Gewinn),

  • Urnenmodell ( weiße Kugel / keine weiße Kugel), oder

  • Zielschießen (Treffer / kein Treffer).

Das Baumdiagramm eines solchen einstufigen Experiments besteht aus zwei Pfaden. Beim Beispiel Zielschießen sieht das Baumdiagramm wie folgt aus:

Figure made with TikZ

Das Ergebnis \(T\) steht für Treffer und das Ergebnis \(\overline{T}\) steht für kein Treffer oder Niete. Die Ergebnisse \(T\) und \(\overline{T}\) schließen sich aus. Für ihre Wahrscheinlichkeiten gilt:

\(P(T)+P(\overline{T})=1\), oder

\(P(T)=p\) ; \(P(\overline{T})=q\) ; \(p+q=1\) oder \(q=1-p\).

Diesen Sachverhalt kann man kurz und prägnant so formulieren, dass man den Ergebnisraum derartiger Experimente durch die Ergebnisse Treffer \(T\) und Niete \(N\) beschreibt. Tritt das Ergebnis Treffer mit der Wahrscheinlichkeit \(P({T})=p\) ein, so ist für das Ergebnis Niete die Wahrscheinlichkeit \(P({N})=P({\overline{T}}) =1-p\).


Beispiel

In einer Urne befinden sich \(7\) rote und \(3\) graue Kugeln. Es werden zufällig nacheinander \(10\) Kugeln mit Zurücklegen gezogen. Damit liegt ein 10-stufiges Zufallsexperiment vor. Da nach jedem Zug die gezogene Kugel wieder in die Urne kommt, ändern sich die Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse nicht.

Betrachtet werden folgendes Ereignisse:

  • \(A\) : „Die erste, zweite und vierte gezogene Kugel ist grau alle anderen gezogenen Kugeln sind rot.“

  • \(B\) : „Es wird genau dreimal eine graue Kugel gezogen.“

  • \(C\) : „Es wird mindestens dreimal eine graue Kugel gezogen.“

  • \(D\) : „Es wird mindestens dreimal, aber höchsten 7-mal eine graue Kugel gezogen.“

Berechnen Sie \(P(A)\), \(P(B)\), \(P(C)\) und \(P(D)\).


Die Wahrscheinlichkeit eine graue Kugel zu ziehen ist \(p=0.3\) und die Wahrscheinlichkeit eine rote Kugel zu ziehen ist \(q=0.7\). Mit diesen Werten berechnen wir nun \(P(A)\).

\(P(A)=0.3\cdot 0.3\cdot 0.7\cdot 0.3\cdot 0.7\cdot 0.7\cdot 0.7\cdot 0.7\cdot 0.7\cdot 0.7\)

\(P(A)=0.3^3\cdot 0.7^7\)

\(P(A)\approx 0.002224\)


Ein Zufallsexperiment heißt Bernoulli-Experiment, wenn sich sein Ergebnisraum \(\Omega\) in der Form \(\Omega =\{T,N\}\) darstellen lässt. Dabei gilt: \(P({T}) =p\), \(P({N})=P({\overline{T}})=q\) und \(p+q=1\).

Wird ein Benoulli-Experiment \(n\) mal durchgeführt, so entsteht ein \(n\)-stufiges Benoulli-Experiment. Ein \(n\)-stufiges Experiment dieser Art heißt Bernoulli-Kette der Länge \(n\).


Bei einem Bernoulli-Experiment sei \(p\in ]0;1[\) die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer. Dann erzielt man bei Durchführung einer Bernoulli-Kette der Länge \(n\) genau \(x\) Treffer (\(x\leq n\)) mit der Wahrscheinlichkeit

\[\begin{equation*} B(n;p;x)=\dbinom{n}{x}\cdot p^{x}\cdot (1-p)^{n-x}\text{ .} \end{equation*}\]

Der Term \(\dbinom{n}{x}\) ist dabei der Binomialkoeffizient und hier gilt:

\[\dbinom{n}{x}=\dfrac{n!}{x!\cdot (n-x)!}\text{ .}\]


Mit der obigen Formel berechnen wir nun die restlichen Wahrscheinlichkeiten. Dabei kommt sowohl der Taschenrechner, als auch das Tafelwerk zum Einsatz.

Betrachten wir noch einmal die Ereignisse \(B\), \(C\) und \(D\).

\(B\) : „Es wird genau dreimal eine graue Kugel gezogen.“

Es gilt: \(n=10\), \(x=3\), \(p=0.3\) und \(q=1-0.3=0.7\).

\(P(B)=B(10;0.3;3)=\dbinom{10}{3}\cdot 0.3^3\cdot 0.7^7\)

TR ergibt: \(P(B)\approx 0.266828\)

Aus dem Tafelwerk (TW) entnehmen wir von Seite 15: \(P(B)=0.26683\)


\(C\) : „Es wird mindestens dreimal eine graue Kugel gezogen.“

Das Experiment wird vollständig durchgeführt, also zieht man 10-mal. Es kommen alle Experimente dieser Art in Frage, bei denen insgesamt mindestens dreimal eine graue Kugel gezogen worden ist. Damit ergibt sich für \(P(C)\):

\(P(C)=B(10;0.3;3)+B(10;0.3;4)+\ldots +B(10;0.3;10)\)

Dafür wählen wir eine andere Schreibweise:

\(P(C)=\overset{10}{\underset{i=3}{\sum}}B(10;0.3;i)\).

Diese Wahrscheinlichkeit berechnen wir mit dem Tafelwerk, aber vorher formen wir die Summe so um, dass der Zähler \(i\) nicht bei \(3\), sondern bei \(0\) das Zählen anfängt. Das geht hier wir folgt:

\(P(C)=\overset{10}{\underset{i=3}{\sum}}B(10;0.3;i)=\overset{10}{\underset{i=0}{\sum}}B(10;0.3;i)-\overset{2}{\underset{i=0}{\sum}}B(10;0.3;i)\)

Mit dem TW, Seite 15 (rechte Spalte) erhalten wir:

\(P(C)=1-0.38278=0.61722\)


\(D\) : „Es wird mindestens dreimal, aber höchsten 7-mal eine graue Kugel gezogen.“

Diese Berechnung läuft ähnlich wie die Berechnung von \(P(C)\), nur dass wir nciht bis \(10\), sondern bis \(7\) zählen.

\(P(D)=B(10;0.3;3)+\ldots +B(10;0.3;6)+B(10;0.3;7)\)

Mit dem Summenzeichen wird der Schreibaufwand kleiner.

\(P(D)=\overset{7}{\underset{i=3}{\sum}}B(10;0.3;i)=\overset{7}{\underset{i=0}{\sum}}B(10;0.3;i)-\overset{2}{\underset{i=0}{\sum}}B(10;0.3;i)\)

Mit dem TW, Seite 15 (rechte Spalte) erhalten wir schließlich:

\(P(D)=0.99841-0.38278=0.61563\)